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Das erste Mal nach 14 Jahren

Den Motorradführerschein machte ich zusammen mit dem Autoführerschein, natürlich gegen den Willen meiner Mutter. Denn als Frau einen Motorradführerschein zu machen, war damals nicht normal. Und obwohl ich seither auch immer wieder selbst ein Motorrad besessen hatte, kam ich nur selten zum Fahren. Also siegte die Vernunft und das Motorrad wurde verkauft. Das war vor 14 Jahren. Inzwischen bin ich 43 und bekam wieder richtig Lust – aufs Motorradfahren. Und das kam so:

Vor ungefähr zwei Jahren lernte ich Uwe, einen total verrückten Menschen kennen, natürlich Motorradfahrer. Ich durfte bei ihm als Sozia mitfahren und da wusste ich, ich muss selbst wieder am Quirl (Anm. d. Redaktion: Gasgriff) drehen können. Hinzu kam, dass meine beste Freundin im Jahr zuvor den Motorradführerschein gemacht und ein Motorrad in der Garage stehen hatte. Also habe ich sie kurzerhand besucht, um zu probieren, ob ich überhaupt noch fahren kann. Am zweiten Tag holten wir dann zusätzlich das Motorrad ihres Freundes aus der Garage und düsten mit zwei Maschinen durch den Taunus. Was für ein herrliches Gefühl!

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Da es aber umständlich ist, immer erst 120 Kilometer mit dem Auto zu fahren, um dann auf ein Motorrad steigen zu können, musste also ein eigenes her. Schwupps stand eine BMW 650 Dakar in der Garage. Das war vergangenes Jahr und ich fuhr alles in allem gerade mal 500 Kilometer! Das hatte sich wirklich rentiert. Nach einigen Überlegungen und einer rigorosen Kosten-Nutzen-Rechnug war klar, das Motorrad wird wieder verkauft. Ich hatte sogar schon die Verkaufsfotos gemacht. Gott sei Dank bewahrte mich Uwe vor dem Schritt und versprach, dass wir in diesem Jahr eine Tour machen. Wenn ich die überstehe bleibt das Motorrad. Wenn nicht, können wir es ja immer noch verkaufen.

Für jeden versierten Motorradfahrer, der Jahr für Jahr einige tausend Kilometer auf dem Bock verbringt, wäre so eine Tour ein Klacks gewesen. Aber für mich war schon der Gedanke daran recht abenteuerlich. Schließlich hatte ich noch nie eine Tour mit dem Motorrad unternommen, zumindest nicht als Selbstfahrer. Bis auf eine Ausnahme. Kurz bevor ich "vernünftig" wurde, damals vor 14 Jahren, hatte ich die Gelegenheit einige Enduristen kennen zu lernen und konnte mit ihnen auf unwegsamem Gelände üben. Sogar eine Endurowoche in Spanien war drin. Das war gigantisch. Aber wie gesagt, das ist 14 Jahre her und auf der Straße hatte ich so gut wie keine Übung. Das Motorrad, dass ich jetzt habe, ist eigentlich auch zu hoch für mich. Komme gerade mit den Fußspitzen auf den Boden, was dem Sicherheitsgefühl nicht gerade Auftrieb gibt.

Auch die Ausrüstung, die ich besaß, war sehr mager. Endurohose (14 Jahre alt), Endurojacke (gebraucht von meinem Bruder geerbt und zu groß), Crosshelm (14 Jahre alt), Motorradstiefel (14 Jahre alt). Ich hatte keinen Tankrucksack, keinen vernünftigen Helm und als Handschuhe nur normale Lederhandschuhe. Wer nicht viel fährt, braucht auch keine tolle Ausrüstung, oder? Beim Helm konnte ich ein Schnäppchen machen. Als ich das Motorrad zum Service brachte, so kurz vor einer Tour nicht die schlechteste Idee, hatten sie doch dort einen Helm günstig abzugeben. War wohl ein Ladenhüter. Der hatte die kleinste Größe und passte wie angegossen! Bei dem Service haben sie am Motorrad auch gleich den Kupplungszug erneuert. Vom Gefühl her hatte ich ein völlig neues Motorrad! Zuvor bekam ich immer Muskelkater nur vom Kuppeln. Einfach traumhaft. Jetzt konnte die Tour beginnen. Zumal ich noch einen Tankrucksack geschenkt bekommen habe.

Endlich war dann auch ein Termin gefunden. Zum besseren Verständnis sei vermerkt, dass Uwe, der total verrückte Motorradfahrer, verheiratet ist, Kinder hat und daher auch nicht mir nichts, dir nichts einfach losfahren kann.

An einem Sonntag im Juli war es dann endlich soweit. Treffpunkt: Landquart, Schweiz. Bereits am Samstag vorher hatte ich das Gefühl, den Mund wieder mal mächtig voll genommen zu haben. Ich hatte Angst! Angst davor, mit dem Motorrad nicht klar zu kommen. Angst davor, mich in Kurven legen zu müssen. Angst davor, Uwe die Tour zu vermiesen. Angst davor, irgendwo stehen bleiben zu müssen und das Motorrad zu werfen. Ich komme ja kaum mit den Fußspitzen auf den Boden. Aber Absagen würde ich niemals! Ich fuhr also am Sonntag ganz gemütlich nach Landquart. Mit neuem Tankrucksack und toller Straßenkarte. Und ich hatte richtig Spaß dabei, aber es war ja nur Autobahn. Pässe und Jochs kamen ja erst am Montag dran.

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Da ich vor hatte, auf dieser Tour auch gleich meinen Bruder zu besuchen, der mittlerweile in Mailand lebt, war der erste Tag auch für mich als Anfänger gut zu verkraften. Über Graubünden, Flüelapass, einen Abstecher nach Livigno zum Tanken (bei den heutigen Spritpreisen ein wundervolles Erlebnis) und Berninapaß nach Italien. Hier folgte dann leider eine total hässliche Strecke von Tirano nach Delébio und ich verfluchte mich für die Idee nach Milano fahren zu wollen. Irgendwann bei Ponte San Pietro hatten wir uns total verfahren. Mehrmals haben wir umdrehen, anhalten und nach dem Weg fragen müssen. Als wir endlich bei meinem Bruder landeten, ist mir klar geworden, dass ich zumindest schon mal keine Angst mehr davor hatte, mit meinem viel zu hohen Motorrad stehen bleiben zu müssen! Zudem hat Uwe nicht ein einziges Mal wegen meiner nicht vorhandenen Fahrkünste gemault. Er gab nur ein paar Tipps wie man es besser machen könnte.

An dem Abend haben wir lang geratscht und jede Menge italienischen Wein vernichtet, so dass wir am nächsten Tag erst um 11:30 Uhr auf dem Motorrad saßen. In der größten Mittagshitze haben wir uns dann via Autobahn bis nach Brescia gequält. Wer die Gegend kennt, weiß, dies ist die scheußlichste Autobahn, die es gibt. Am Lago d’Idro legten wir eine Badepause ein, die wir auch wirklich nötig hatten. Die Strecke über Madonna di Campiglio, das Gampenjoch, Meran und St. Martin Richtung Timmelsjoch entschädigte uns dann aber für die grausige Autobahnfahrt. Mittlerweile war auch meine Angst vor Kurven weg. Im Gegenteil! Ich konnte nicht genug davon bekommen.

Trotzdem war ich ziemlich geschafft, als wir, kurz vor dem Timmelsjoch, den Ort Moos erreichten. Hier sind wir in einem Cafe untergekommen und haben die beste Pizza unseres Lebens gegessen. Eine richtig gute selbstgmachte Pizza auf Steinplatten gebacken. Ein riesengroßes geräumiges Zimmer, gemütlicher Garten, tolles Essen, gutes Bier und gutes Frühstück und alles zusammen für nur 90 Euro. Fantastischer letzter Tourenabend.

Am nächsten Tag saßen wir wieder um 10 Uhr auf dem Motorrad, wie wir es eigentlich für die gesamte Tour vor hatten. Kurz noch eine Zapfsäule anfahren und dann ging es über Timmelsjoch, Sölden, Hahnentannjoch und Oberjoch Richtung Heimat. Später, an der nächsten Tankstelle, zeigt mir Uwe dann die kleinen Michelin-Männchen auf meinem Hinterreifen und ich stellte voller Genugtuung fest, dass die doch schon etwas angekratzt waren! Ich hatte es geschafft, ich bin richtig Motorrad gefahren. Alle Ängste und Bedenken waren wie weggeblasen. Ich konnte mich einfach aufs Moped setzen, fahren und genießen.

Das letzte Stück des Weges war dann Autobahn. Jetzt wollte ich nur noch schnell wie möglich nachhause und da war es mir völlig egal, ob das Motorrad für Vollgasetappen ausgelegt war oder nicht. Ich drehte mächtig am Quirl. Diese Art zu fahren konnte ich früher nie verstehen.

Alles in allem stellt sich jetzt die Frage: War das ein Abenteuer? Für mich schon.

Text: Heidi Hofmann









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